Kohlengräberland-Chronik 2015-2014

2015-11-09  Eindrucksvolles Gedenken – EFG Schüler erinnern an Pogromnacht

Ein eindrucksvolles Bild boten die rund 500 Schülerinnen und Schüler der Erich-Fried-Gesamtschule (EFG) bei der Gedenkveranstaltung am 9. November in der Herner Innenstadt. Gemeinsam mit Vertretern der DGB-Jugend Herne erinnerten die Jugendlichen an die Pogromnacht vor 77 Jahren, die auch in Herne zahlreiche jüdische Mitbürger zu Opfern machte. Aufgerufen zu der Gedenkveranstaltung hatte das Unterrichtsprojekt “Kohlengräberland” der EFG, der DGB-Stadtverband Herne, die Kulturkooperative DENK MAL und das Herner Sozialforum.

Beteiligt war ebenfalls die SJD Falken Herne und zahlreiche Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Oberbürgermeister Frank Dudda hatte den Aufruf zur Teilnahme ausdrücklich unterstützt. In ihrer Ansprache am Mahnmal an der Bebelstraße erinnerten die EFG-Schüler Bahar Celic (16), Eric Kolpatzik (16) und Susan Wilhelm (17) an die Opfer von Gewalt, Rassismus und Rechtsradikalismus. Sie forderten ihre Altersgenossen auf, laut “Nein” zu sagen gegen Hass und Gewalt gegen schutzsuchende Flüchtlinge, Ausländer, Menschen anderer Gesinnung oder religiöser Orientierung. “Wer Flüchtlinge angreift oder verächtlich macht, greift uns an und macht uns verächtlich. Wer Flüchtlingsunterkünfte anzündet, der steckt auch unsere Heimat in Brand”. Auch Feyza Yanaz und Norbert Arndt vom DGB zogen eine gedankliche Verbindung zwischen den Ereignissen der NS-Zeit und der zunehmenden Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten gegen Flüchtlinge. Mit Sorge verwies Arndt auf die um sich greifende Hetze in sozialen Netzwerken und auf rechtspopulistischen Kundgebungen.
Zuvor hatten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am immer noch verhüllten Shoa-Mahnmal vor der Kulturzentrum zu einer Schweigeminute versammelt. Schülerinnen und Schüler des Kohlengräberlandes legten anschließend Rosen vor das Mahnmal. Bedauert wurde dabei von vielen Beteiligten, dass die Stadt anlässlich der Gedenkveranstaltung den Bauzaun um das Mahnmal nicht kurzzeitig geöffnet hatte. Der Zaun wurde errichtet, nachdem das Mahnmal mehrfach geschändet worden war. Seitdem ist die Stele zusätzlich mit Holzplatten umhüllt.

2015-05-08  Geschichte hautnah als Theaterstück “Viele Grüße Ingrid” begeisterte Publikum in der Gerther Christuskirche

“Ja, genau so war das damals!” Mit anhaltendem, begeistertem Beifall – und Tränen der Rührung dankte das Publikum am Freitagabend in der voll besetzten Christuskirche in Bochum-Gerthe den jungen Akteuren für ihre Leistung bei der Aufführung des Theaterstückes “Viele Grüße Ingrid!”. Am 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes, hatte das junge Ensemble von der Erich-Fried-Gesamtschule Herne sein viel beachtetes “Stück gegen den Krieg für Menschen ab 13” noch einmal auf die Bühne gebracht.

Musikalisch gestaltet wurde die Inszenierung vom Zeitgeist-Ensemble Ruhr. Hintergrund der 90-minütigen Inszenierung ist eine wahre Geschichte aus der Bergarbeitersiedlung in Bochum-Gerthe, kaum 1000 Schritte vom Ort der Aufführung entfernt. Der Autor, Lehrer und Theaterpädagoge Ulrich Kind hat aus einem Abschnitt seiner eigenen Familiengeschichte eine szenische Collage geschaffen, die von den 14- bis 17jährigen Jugendlichen beklemmend aktuell auf die Bühne gebracht wurde. Zum Inhalt: Ingrid, Marianne und Lotti sind ganz normale Jugendliche im Jahr 1943. Ihre Träume, Hoffnungen und Ängste kreisen um Jungs,

die Hitlerjugend, Poesiealben, Kinderlandverschickung und den letzten Luftangriff auf ihre Heimatstadt. Ihre männlichen Altersgenossen bereiten sich auf den Einsatz an der Front vor. Das Dritte Reich mobilisiert seine letzten Reserven. Kinder bedienen die Flak-Geschütze und räumen Leichen weg. Die Blickrichtung wechselt: Britische Soldaten schildern ihre Erinnerungen als Mitglieder der Bomber-Besatzungen vom 29. März 1943 und eines Kriegsschiffes. Auch sie sind jung. Sie sehen ihre Kameraden sterben. Beide kommen knapp mit dem Leben davon. “We meet again”, einen englischen Schlager aus den 40er Jahren, mit dem die Flieger einst in ihre Einsätze zogen, singt das Zeitgeist-Ensemble Ruhr und macht damit deutlich: Im Krieg sind alle Opfer.
Am Ende steht Lotti allein auf der Bühne. Sie kommt von der Beerdigung ihrer Freundinnen. Eine unentdeckte Blindgängerbombe an der Hiltroper Landwehr ist plötzlich detoniert und hat die 13-jährige Ingrid und ihre gleichaltrige Freundin Marianne aus dem Leben gerissen. “Ja, die Fahne ist mehr als der Tod”, singt Lotti im düsteren Moll und schleudert die HJ-Standarte weinend zu Boden. Beklemmende Stille, danach tosender Beifall für eine außergewöhnliche schauspielerische Leistung.

Noch lange danach standen Menschen im Gespräch zusammen, unter ihnen einige hochbetagte Zeitzeugen. “Ich hab’ die Mädchen ja selbst gekannt und noch wenige Minuten vor ihrem Tod gesehen”, erzählt eine Frau den Jugendlichen. Sie war damals jünger als die beiden und träumte seinerzeit davon, „endlich auch Halstuch und Knoten des BDM tragen zu dürfen“. Bis zu jener Minute am Abend des 3. April 1943.

Zitat aus der Begrüßungsansprache von Pfarrer Johannes Romann
“Wir werden heute Dinge hören und erleben, die uns erstaunen, erschrecken und die uns mitnehmen auf eine Zeitreise. Es ist ein Stück gegen den Krieg und gegen all das, was menschliche Verführung auszumachen vermag. Nicht nur damals, sondern bis in heutige Zeiten. Wir alle tragen Mitverantwortung für die Generationen, die folgen und wollen ein Stück unseren Beitrag dazu leisten.” (Text & Foto fobro)

2015-04-25  Zeitzeugen berichten aus dunkler Zeit

Von Jule, Eric, Annika und Jana (Jahrgang 10)
„Wie haben Sie ihren Alltag unter Bombenangriffen gemeistert?“ Solche und weitere Fragen konnte der zehnte Jahrgang der Erich-Fried-Gesamtschule die Zeitzeugen am 29. April 2015 fragen. Die Zeitzeugen sind eine Gruppe von älteren Herrschaften die den zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit miterlebt haben. Sie reisen zu verschiedenen Schulen, um interessierten Schülern diese Zeit näher zu bringen und Fragen zu beantworten.

In der Zeit von 10:00 bis 13:00 Uhr konnten die Schüler verschiedene Geschichten hören und Fragen zu diesem Thema stellen. Die Zeitzeugen saßen an sieben Tischen verteilt in der Mensa und ca. 12 bis 15 Schüler saßen an jeweils einem dieser Tische und konnten dem Zeitzeugen ca. 20 Minuten zuhören. Nach etwa 20 Minuten wechselten die Zeitzeugen die Tische, so dass die Schüler möglichst verschiedene Geschichten hören konnten.
Besonders interessant fanden viele Schülerinnen und Schüler die Berichte über Alltag und Schule.
Während der Schulzeit alle zwei Tage aus dem Klassenraum in den Luftschutzbunker zu rennen und nicht zu wissen ob die eigene Familie überlebt hat oder das Haus noch steht, Kaffee aus Steckrüben zu trinken, kaum oder kein Spielzeug zu haben, nach jedem Luftangriff Leichen auf der Straße zu finden, sind alles Dinge, die wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. Doch die Zeitzeugen haben all das hautnah miterlebt. Sie berichten uns Schülern von den Schrecken der Vergangenheit, damit wir über die Strukturen des Nazi Regimes aufgeklärt werden, damit wir ähnliche Strukturen erkennen und etwas dagegen unternehmen können, denn „Zukunft braucht Geschichte.“ (Johannes Althusius).

Besonders beeindruckt hat uns, dass die Zeitzeugen trotz all dieser schrecklichen Erlebnisse “tougher” sind als die meisten von uns. Sie haben all das einfach weggesteckt, ohne dass sich je einer darum gekümmert hat, wie sie ihre Erlebnisse verarbeitet haben. Sie haben das Beste aus ihrer Situation gemacht. Sie haben einen Beruf ergriffen und ihr Leben fortgeführt wie beispiels-weise Prof. Dr. Rolf Hinz. Er ist der älteste noch praktizierende Kieferorthopäde in Herne, man merkt ihm seine Kriegsvergangenheit kaum an.

Wir haben viel von diesen beeindruckenden Persönlichkeiten mitnehmen können und möchten uns dafür herzlich bedanken. Wir hoffen, dass sie weiterhin eine gute Gesundheit genießen und ihr Wissen noch mit vielen weiteren Schülerinnen und Schülern teilen können.

2015-02-26  Ministerin fordert mehr Anerkennung für ganzheitliche Schulprojekte

Mehr Anerkennung für schulische Projekte, die neben dem klassischen Unterricht durchgeführt werden, wünscht sich Schulministerin Silvia Löhrmann. Besonderen Wert legt sie dabei auf Vorhaben, die eine demokratische Haltung fördern. Löhrmann sprach am 26. Februar beim der 3. Regionalen Lernstatt des Förderprogramms Demokratisch Handeln in Bonn.

Mit Blick auf die jüngsten Statistiken zum Unterrichtsausfall, stellte sie die Frage, ob man nicht einmal erfassen müsse, wo Schulen neben dem klassischen Unterricht mehr machen, als eigentlich vorgeschrieben sei. “Das ist ja das Gegenteil von Unterrichtsausfall, sondern das ist ja etwas Zusätzliches und das wird überhaupt nicht besprochen.” Das Lernen von Demokratie stellte die Ministerin auf eine Stufe mit Lesen, Schreiben, Rechnen, Fremdsprachen lernen, Theater spielen oder Naturwissenschaften. “Das gehört für mich zur Schule elementar dazu.”
Die Ministerin zeigte sich sehr interessiert für die beispielhaften Projekte demokratischen Lernens, die von gut zwei Dutzend Schulen bei der Lernstatt in Bonn präsentiert wurden. Ausdrücklich lobte sie dabei das besondere, zeitintensive Engagement von Schülern und Lehrern. Als besonders wichtig hob sie den Charakter des ganzheitlichen Lernens hervor, der weiter gestärkt werden müsse.
Unter den Teilnehmern der Lernstatt waren auch Schülerinnen des Unterrichtsfaches “Kohlengräberland” und der AG “SchauSpielSchule” der Erich-Fried-Gesamtschule Herne. In einer Ausstellung und in Gesprächen stellten sie aktuellen Projekte wie das Theaterstück “Viele Grüße Ingrid” oder die Fotocollagen “Zeitsprünge” vor.

Der Wettbewerb “Demokratisch Handeln” wird seit 1990 für allgemeinbildende Schulen in Deutschland ausgeschrieben. Träger ist der gleichnamige Verein mit Sitz in Jena. Förderer sind neben anderen das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Ministerien einzelner Bundesländer, die Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik, der Deutsche Schulpreis und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung.
Das Kohlengräberland gehört seit mehreren Jahren zu den ausgezeichneten Projekten und wurde wiederholt als beispielhaftes Unterrichtsvorhaben vorgestellt.

 

2015-01-28  Kohlengräber gestalteten Gedenkabend in Berlin – Ministerin Schwall Düren: Vorbildliches Engagement

Plötzlich haben sie weiße Rosen in Händen. Die Schülerinnen und Schüler der Erich-Fried-Gesamtschule Herne stehen auf der Bühne des Europasaals der NRW-Landesvertretung in Berlin und blinzeln gegen das aufglimmende Licht. Das Publikum applaudiert ergriffen. Bis eben haben die 15 Jugendlichen 14 Episoden ihres Bühnen-Repertoires „Mein Licht gegen das Vergessen“ dargeboten, dezent ausgeleuchtet, dem bedrückenden Thema entsprechend.

Ministerin Angelica Schwall-Düren
hatte die Schülergruppe persönlich nach Berlin eingeladen.

Mit ihrem „Licht gegen das Vergessen“ wollen diese Jugendlichen ihren Beitrag leisten für ein überdauerndes Erinnern an Ursachen, Folgen und Opfer des Nationalsozialismus – in Herne, in ihrer Stadt. Kohlengräberland heißt ihr Unterrichtsfach, aus dem heraus die Erich-Fried-Gesamtschule Projektideen wie diese auf den Weg bringt. „Wir hätten nie gedacht, dass wir mit so wenig Leuten so viel bewegen können“, sagt ein Mädchen. Aktuell sind es 90 Schülerinnen und Schüler, die in drei Jahrgangskursen diese ganz spezielle Heimatkunde erlernen, selbst ergründen und durch ihre Erinnerungskultur am Leben halten. „Solch ein vorbildliches Engagement gehört nach Berlin“, dachte sich NRW-Ministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) und lud anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus in die „Botschaft des Westens“, also in Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund in Berlin. Im Publikum: Geladene Gäste aus Politik und Gesellschaft – und Schüler und Schülerinnen zweier Berliner Schulen, die sich ebenfalls auf besonderes Weise um die Aufarbeitung und Erinnerung an den NS-Terror verdient machen. Gebannt und beeindruckt verfolgen die Gleichaltrigen Schauspiel, Musik und Collagen ihrer Mit-Schüler aus Herne. 14 Episoden und beklemmende Geschichten enden in dem unbesiegbaren Wunsch „Nie Wieder“. „Das geht unter die Haut“, sagt ein Schüler, „wenn Kinder 2015 die Namen jener Kinder vortragen, die von Nazis deportiert und vergast wurden“. Die Gastgeberin, Ministerin Schwall-Düren, berührt das Engagement besonders, als die jungen Schauspieler Fotos der vom NSU ermordeten Migranten in ihr Programm einflechten:. „Wir müssen früh genug hinschauen und bei rassistischen und ausgrenzenden Tendenzen gegenhalten – dank junger Persönlichkeiten wie euch ist mir da nicht bang.“ Die 15 Schüler der Erich-Fried-Gesamtschule, 3 Sänger des Zeitgeist-Ensembles Ruhr, zwei Tontechniker und vier Lehrer treten am nächsten Tag ihre Heimreise an. Sie wissen um neue Mitstreiter, gar Freunde in Berlin, beeindruckten ein Publikum sehr – und werden sicher auch nachlesen, was es mit der Weißen Rose auf sich hat, die sie nach dem Schlussapplaus überreicht bekamen. (Pressetext der Vertretung des Landes NRW beim Bund)

 

2015-01-24  EFG-Schüler trauern um Willi Birkemeyer – Zeitzeuge starb im Alter von 86 Jahren

Willi Birkemeyer war ein häufiger und gern gesehener Gast an der Erich-Fried-Gesamtschule. Der Zeitzeuge der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs starb am 24. Januar im Alter von 86 Jahren. Nicht zuletzt auf Einladung der Schülerinnen und Schüler des Kohlengräberlandes stellte sich der ehe-malige Flak-Helfer und spätere Bergbauingenieur immer wieder den Fragen der Jugendlichen, zuletzt am 1. Oktober.

Offen und ehrlich berichtete er über Zeit als Hitlerjunge, seinen Einsatz als Kindersoldat und seine dramatischen Erfahrungen während der sowjetischen Kriegsgefangen-schaft. Hier erfuhr er nicht nur die Angst um das tägliche Überleben, sondern auch echte Menschlichkeit und Zuwen-dung der ehemaligen Kriegs-gegner. Seine erste große Liebe war eine junge Russin, die er in der Sowjetunion kennen gelernt hatte.
Die Kinder der Kohlengräber-Kurse mochten Willi Birkemeyer auf Anhieb, wollten ihn gerne wiedersehen und ihm noch viele Fragen stellen. Er selber war beeindruckt vom Engagement der Jugendlichen und freute sich über ihre offenen Fragen. Er war vom Verhalten, der Freundlichkeit und den liebevoll selbstgemachten Geschenken tief bewegt.  (volbro)

 

2014-11-22    Junge Akteure begeisterten das Publikum – “Viele Grüße, Ingrid!”       – Ein Stück gegen den Krieg für Menschen ab 13

Am Ende war es totenstill. Mit der schwarzen Standarte in der Hand hatte Lotti (Merit Schröder) mit brüchiger Stimme eine Moll-Version des berüchtigten HJ-Liedes vorgetragen. “… die Fahne führt uns in die Ewigkeit.” Ihre besten Freundinnen Ingrid und Marianne, gerade 13 Jahre alt, sind tot, beerdigt. Opfer eines Blindgängers. Ein vermeidbarer Tod, sinnlos wie der Krieg. Das Publikum war sekundenlang schweigend beeindruckt, bevor der Applaus losbrach.

Minutenlange stehende Ovationen für eine herausragende Leistung einer Gruppe 13- bis 16jähriger Schülerinnen und Schüler der Erich-Fried-Gesamtschule.
“Viele Grüße Ingrid” heißt das bewegende “Stück gegen den Krieg für Menschen ab 13”, das die jungen Akteure in monatelanger Arbeit am 22. November erstmals auf die Bühne gebracht haben. Hintergrund ist eine wahre Geschichte aus einer Bergarbeitersiedlung in Bochum-Gerte. In aufwendigen Recherchen haben Schülerinnen und Schüler des Unterrichtsfaches Kohlengräberland die Fakten rund um das Schicksal der Familien zusammengetragen. Lehrer Ulrich Kind schuf daraus eine szenische Collage und verarbeitete zugleich auch einen Teil seiner eigenen Familiengeschichte. Inszeniert wurde die Aufführung von der angehenden Theaterpädagogin Lisa Krischker, die damit auch ihre Examensarbeit vorlegte.
Ingrid, Marianne und Lotti sind ganz normale Jugendliche. Ihre Träume, Hoffnungen und Ängste kreisen um Jungs, die Hitlerjugend, Poesiealben, Kinderlandverschickung und den letzten Luftangriff auf ihre Heimatstadt. Ihre männlichen Altersgenossen bereiten sich auf den Einsatz an der Front vor. Das Dritte Reich mobilisiert seine letzten Reserven. Kinder bedienen die Flak-Geschütze und räumen Leichen weg. Die Blickrichtung wechselt: Britische Soldaten schildern ihre Erinnerungen als Mitglieder der Besatzungen eines Bombers und eines Kriegsschiffes. Auch sie sind jung. Sie sehen ihre Kameraden sterben. Beide kommen knapp mit dem Leben davon. “We meet again”, einen englischen Schlager aus den 40er Jahren, singt das Zeitgeist-Ensemble Ruhr und macht damit deutlich: Im Krieg sind alle Opfer. Hoffnung dagegen macht die, von Deborah Schwittai gekonnt vorgetragene Geschichte einer Bergarbeiterfamilie, die monatelang einen abgeschossenen, englischen Flieger auf dem Dachboden versteckt hielt. Aus Feinden wurden lebenslange Freunde.
Die Leistung der jungen Akteure war beachtlich. Mit großer Textsicherheit und voll in ihrer Rolle verhaftet, schufen die Jugendlichen eine beklemmende Atmosphäre, der sich das Publikum kaum entziehen konnte. Der Beifall am Ende war hoch verdient und ermutigte zu einer Wiederholung auf einer größeren Bühne. Ein besonderer Dank ging am Ende an die zahlreichen Zeitzeugen, die ihr Wissen und ihre Geschichten für das Stück beigetragen hatten. Die hochbetagten Frauen und Männer waren Ehrengäste der Aufführung und stellten sich am Ende gemeinsam mit dem Ensemble zu einem einmaligen Gruppenbild auf der Bühne. (Text & Foto: volbro)

 

2014-09-01   Kohlengräber beeindruckten Sylvia Löhrmann – Ministerin besuchte Gedenkfeier am 1. September

Sylvia Löhrmann war beeindruckt. Die Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes NRW spendete minutenlang stehend Beifall für die Leistung der Schülerinnen und Schüler des Unter-richtsfaches “Kohlengräberland” anlässlich der Gedenkfeier am 1. September in den Flottmann-Hallen. Am Jahrestag 75 Jahre nach Kriegsbeginn boten die Jugendlichen ein eindrucksvolles und ergreifendes Votum gegen Krieg, Rassismus und Unterdrückung.

Mit Videos, Gesang und Rezitationen spannten sie einen Bogen vom Ersten Weltkrieg bis hin zum Ende der NS-Regimes 1945. Geleitet wurde die Gedenkstunde von den Kohlengräberlehrern Ulrich Kind und Isa Tappenhölter. Beteiligt war auch das Zeigeistensemble Ruhr, ebenfalls unter der Leitung von Ulrich Kind. (Foto: M. Barczap)

“Diese Jugendlichen machen Mut. Sie stehen für ein anderes Deutschland”, lobte die Ministerin in ihrem Grußwort. Die Erinnerungsarbeit an der EFG und vor allem im Fach Kohlengräberland bezeichnete sie als “Paradebeispiel, wie die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in die Zukunft leiten kann”. Ausdrücklich bezeichnete Löhrmann die Demokratiepädagogik und Erinnerungskultur als wesentlich für das schulische Lernen und die Leistungsbewertung. “Sie ist genauso wichtig wie der Sprach- und Mathematikunterricht.” Begleitet wurde die Ministerin von der Landtagspräsidentin Carina Gödecke, die sich ebenfalls tief beeindruckt zeigte.
Oberbürgermeister Horst Schiereck hob die besondere Bedeutung des Kohlengräberprojektes für die Erinnerungskultur der Stadt hervor. Er erinnerte neben anderem an die Initiative der Schüler zu einer Schweigeminute am mehrfach geschändeten Shoa-Mahnmal in der Herner Innenstadt.

Am Anfang der Feier stand eine Vertonung des Gedichtes “In Flanders Fields” von John McCrae aus dem ersten Weltkrieg. Unter der animierten Kulisse eines Mohnfeldes boten das Zeitgeist-Ensembler Ruhr und Schülerinnen der EFG eine Darbietung, die tief bewegte.Ein Video mit Fotocollagen des Projektes “Zeitsprünge” aus dem Informationstechnikunterricht schlug eine visuelle Brücke zwischen der NS-Zeit und der Gegenwart. Die Bilder zeigen Fotomontagen aus alten Schwarzweiß-Fotos des Stadtarchivs und Bildern von den selben Orten aus der Jetztzeit. Die großformatigen Bilder, die unter Anleitung von Volker Brockhoff entstanden sind, werden bald im Foyer des Stadtarchives dauerhaft ausgestellt.

Tief unter die Haut ging die Interpretation von Udo Lindenbergs “Wozu sind Kriege da”. Die dreizehnjährige Solistin Merit mit Chor aus Ensemble und Schülerinnen rührte selbst Akteure auf der Bühne zu Tränen.

Nachdenkliches mit heiterem Unterton bot Ex-Kohlengräberin Deborah Schwittai mit ihrer Rezitation der wahren Geschichte “Scheiß Ratten”. Am Beispiel einer Bergarbeiterfamilie, die monatelang einen abgestürzten englischen Piloten versteckt hielt, wurde deutlich, dass auch während des NS-Regimes Zivilcourage möglich war.
“Inges Lied – Sehr her” aus dem Musical “Ab heute heißt du Sarah” bildete den Abschluss der zweistündigen Aufführung. Solistin Lisa Krischker vom Zeitgeist-Ensemble brachte mit ihrer Darbietung die Not der jungen Jüdin Inge Deutschkron in der NS-Zeit so gekonnt dramatisch zum Ausdruck, dass das ihre Stimme noch lange nach Ende der Aufführung im Bewusstsein der Zuhörerinnen und Zuhörer blieb.

Gegründet wurde das “Kohlengräberland” 1997 auf Initiative der Lehrer und Theaterpädagogen Ulrich Kind und Isabella Tappenhölter, die bis heute die Kurse leiten. Das Angebot mit zurzeit zwei Wochenstunden über drei Schuljahre richtet sich an die Jahrgänge 8 bis 10. Erstmalig soll im kommenden Jahr auch ein Kohlengräber Projektkurs in der Oberstufe angeboten werden.
(volbro)

 

2014-04-07    Eindrucksvolles Gedenken am Herner Shoa-Mahnmal

Damit hatte bis Freitag niemand gerechnet. Was zunächst nur im Rahmen eines Unterrichts geplant war, entwickelte sich quasi über Nacht zu einer eindrucksvollen Gedenkveranstaltung mit mehreren hundert Teilnehmern.

Anlass für die Gedenkminute in Herne war die wiederholte Zerstörung und Schändung des Shoa-Mahnmals vor dem Kulturzentrum. Vor wenigen Wochen hatten bisher Unbekannte das Denkmal mit Kunstharz und Farbe übergossen und so dauerhaft beschädigt.

Schülerinnen und Schüler des Unterrichtsprojektes “Kohlengräberland” im 10. Jahrgang beschlossen daher in einer Schweigminute gegen die Zerstörung zur protestieren und der Opfer des Holocaust zu gedenken. Nicht zuletzt durch die Vorabberichterstattung in den Medien wurde Oberbürgermeister Horst Schiereck auf die Aktion aufmerksam. In einem offenen Brief (siehe unten) lobte der OB ausdrücklich das Engagement der Schüler und den Vorbildcharakter der Initiative. Er rief spontan alle Schulen auf, sich an der Aktion zu beteiligen. An der EFG sorgte der Aufruf des Bürgermeisters für einigen Wirbel. Denn nun galt es binnen kurzer Zeit so viele Beteiligten wie möglich für die Aktion zu gewinnen und den Unterricht entsprechend umzuorganisieren. Also wurden Stundenpläne geändert, Gruppen gebildet und eilig auf den Weg zum Mahnmal gebracht. So trafen sich dann neben einigen interessierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern vor allem die Schülerinnen uns Schüler des 7. bis 12. Jahrgangs der EFG vor dem Kulturzentrum. Ulrich Kind, Lehrer und Mitorganisator der Aktion, erinnerte in einer kurzen Ansprache an die Schicksale der Herner Bürger, die dem Holocaust zum Opfer gefallen waren und verurteilte den offensichtlich rechtsextrem motivierten Vandalismus.

“Offener Brief” des Oberbürgermeisters der Stadt Herne

Sehr geehrter Herr Kind, liebe Schülerinnen und Schüler des Projektes “Mein Licht gegen das Vergessen”,
Sehr geehrte Herner Bürgerinnen und Bürger,
der feige Anschlag auf das Shoah-Mahnmal hat mich, wie viele von Ihnen, sehr erschüttert. Es handelt sich hier nicht um Vandalismus. Ich werte diese Tat als einen Angriff auf unsere Stadtgemeinschaft, auf die Werte der Demokratie. Der Anschlag trifft nicht den Stein, sondern er trifft erneut die Menschen, für die dieser Gedenkstein errichtet wurde – die Opfer der Shoah und ihre Angehörigen. Aber er trifft auch jede und jeden von uns.
Denn wir verurteilen Gewalt, Haß, Diskriminierung und Zerstörung in unserer Stadt.
Wir dürfen solche Taten deshalb nicht unkommentiert akzeptieren. Wir müssen diese Taten öffentlich verurteilen.
Ich war sicher, dass die Herner Bürgerinnen und Bürger sensibel und wach sind und sich gegen solche Angriffe wehren würden.
Ich habe gehofft. Nein, ich habe es notwendigerweise erwartet, dass vor allem Jugendliche ihren Protest gegen diesen Anschlag öffentlich machen würden.
Nun also kommt diese Reaktion tatsächlich und darauf bin ich als Herner Bürger unglaublich stolz.
Ich begrüße sehr, dass gerade aus einem Schülerprojekt heraus, zu dieser Schweigeminute aufgerufen wird.
Dies ist nicht nur ein Zeichen der Bestürzung und Anteilnahme, sondern ein klares Bekenntnis: Herne sagt Ja! zum Shoah-Mahnmal.
In seiner Schönheit und in seiner tiefen Symbolik als Stein der Versöhnung richtet sich das Mahnmal gegen jede Gewalt.
Dieser besondere Gedenkstein für die jüdische Gemeinde und die Opfer der Shoah aus Herne und Wanne-Eickel soll und muss deshalb auch zukünftig im öffentlichen Raum stehenbleiben.
Wenn möglich und auch sobald wie möglich, wollen wir den Stein trotz der erheblichen Schäden restaurieren.
Die Untersuchungen und Test dazu laufen noch. Die Ergebnisse der Analysen stehen zum Teil noch aus.
Wie wir das Shoah-Mahnmal zukünftig aber vor häßlichen und verabscheuungswürdigen Angriffen schützen können, vermag ich derzeit nicht zu sagen.
Hierüber müssen nicht zuletzt auch die politischen Gremien unserer Stadt entscheiden.
Ich bedaure zu tiefst, dass es mir am Montag aufgrund eines europäischen Treffens in Brüssels nicht möglich sein wird, an der Schweigeminute teilzunehmen.
In Gedanken werde ich bei Ihnen in Herne sein. In meiner Vertretung und auch aus persönlichem Anliegen wird Frau Bürgermeisterin Birgit Klemczak anwesend sein.
Ich bin sicher, viele von Ihnen werden sich anschließen.
Im Namen der Stadt Herne rufe ich alle Herner Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die Schulen auf, an der Schweigeminute am Shoah-Mahnmal teilzunehmen.

Horst Schiereck
Oberbürgermeister der Stadt Herne

2014-03-19  Schüler auf Studienfahrt in Berlin – Begegnung mit Inge Deutschkron

Inge Deutschkron ist eine eindrucksvolle Frau. Die 91jährige betritt auf unsicheren Beinen den Raum der ehemaligen Blindenwerkstatt Otto Weidt in Berlin. Rund 40 Jugendliche warten dort auf ein Gespräch mit ihr als eine der letzten noch lebenden Holocaust-Zeitzeuginnen. Mit fester Stimme, fordernd, nüchtern erzählend und oft auch mit tiefsinnigem Humor stellt sich Inge Deutschkron den Fragen der jungen Leute. Heraus kommt eine Lebensgeschichte, die tief bewegt.

Als die Nazis in Deutschland an die Macht kommen, ist sie gerade einmal elf Jahr alt. Und sie muss erfahren, was es heißt eine Jüdin zu sein, obwohl ihre ganze Familie nie wirklich gläubig gewesen ist. Als gegen Ende der 30er Jahre die Verfolgungen immer brutaler werden, beschließt die Familie das Land zu verlassen. Doch nur der Vater erhält eine Ausreisegenehmigung. Inge und ihre Mutter müssen sich allein durchschlagen. Die junge Frau erhält eine Anstellung in der Blindenwerkstatt von Otto Weidt. Der sehbehinderte Unternehmer beschäftigt nicht nur eine ganze Reihe jüdischer Angestellter, er gibt ihnen auch Schutz vor dem Zugriff der Nazis, in dem er beispielsweise NS-Funktionäre besticht. Notfalls versteckt er die Verfolgten auch in einem Unterschlupf in der Werkstatt. Mit seiner Hilfe und der Unterstützung anderer Mitbürger gelingt es Inge und ihrer Mutter bis zum Kriegsende unerkannt in der Hauptstadt zu überleben. Die Jugendlichen der EFG hören gebannt zu. Fast zwei Stunden hat sich die hochbetagte Frau Zeit genommen für das Gespräch.
Die Begegnung war Teil einer zweitägigen Studienfahrt vom 19. bis 21. März 2014, organisiert vom Unterrichtsfach “Kohlengräberland” unter Beteiligung des Gesellschaftslehreunterrichtes der Klasse 10c. Finanzielle Unterstützung gab es vom Heinz-Kühn-Bildungswerk Dortmund und dem Deutschen Bundestag. Begleitet wurde die Gruppe von den Lehrern Ulrich Kind, Isa Tappenhölter und Volker Brockhoff.
Am Tag nach dem Gespräch mit der Zeitzeugin hatten die Jugendlichen die Gelegenheit das Leben von Inge Deutschkron noch einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Im Grips Theater besuchten sie das Theaterstück “Ab heute heißt du Sara”, welches auf den Lebenserinnerungen der Zeitzeugin basiert. Den Abschluss der Studienfahrt bildete ein Besuch im Bundestag auf Einladung der Abgeordneten Sevim Daðdelen. In einem einstündigen Gespräch beeindruckte die streitbare Politikerin die jungen Leute vor allem durch ihre Lebensgeschichte, die von Jugend an durch politisches und soziales Engagement geprägt ist. Unabhängig von ihrer eigenen politischen Sichtweise machte sie den Jugendlichen deutlich, dass gesellschaftliches Engagement wichtig ist und auch etwas bewegen kann. (volbro)

 

2014-02-05    Leben unter dem Hakenkreuz – Zeitzeugen erinnern sich an ihre Jugend

„Flink wie Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl“. So wünschte sich Adolf Hitler die deutsche Jugend. Unbedingter Gehorsam, Opferungsbereitschaft und ein Leben für den Führer war das Ideal der Nazi-Ideologie. Die Jungen wehrbereit, die Mädchen gebärbereit. Doch wie war es wirk-lich? Wie lebte es sich unter dem Hakenkreuz?

Was bekamen die Jugendlichen damals mit von all der Unterdrückung und Brutalität um sie herum?
Acht betagte Frauen und Männer aus Herne oder Bochum stellten sich am 5. Februar den Fragen aus der Sicht der heutigen Jugend. Einen Vormittag lang, besuchten Willi Birkemeyer, Friedrich Rohrbeck, Dieter Sebastian, Sophie Barth, Gerhard Uhle, Ursula Bierbaum, Franz Nott, Prof. Rolf Hinz und Dr. Felix Lipski den 10. Jahrgang der Erich-Fried-Gesamtschule. In abwechselnden kleinen Runden gaben die Senioren den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in eine Zeit, in der vieles nicht selbstverständlich war, was uns heute wichtig ist. Die rund 110 Jugendlichen hörten fast drei Schulstunden lang gebannt zu. Dicht gedrängt saßen die Jugendlichen und die Senioren an eilig zusammen gestellten Tischen in der Mensa, weil die Aula kurzfristig und unerwartet vom Herner Gebäudemanagement gesperrt worden war (siehe Artikel auf dieser Seite).

“Hatten Sie eine Jugendfreundin?” wollte eine Schülerin von Gerhard Uhle wissen. Die einfache Frage lieferte einen dramatischen Teil aus der Lebensgeschichte des Mannes. “Ja, hatte ich. Sie war eine Jüdin. Ich lernte sie kennen, weil meine Eltern die Familie zwei Jahre lang im Keller versteckt hielt. Die Nachbarn haben die ganze Zeit nichts geahnt. Mein Vater war Marineoffizier und galt daher als unverdächtig. Nach dem Krieg ging die Familie nach Amerika. Ich habe das Mädchen nie wiedergesehen.”

Auch ernsten Fragen wichen die alten Menschen nicht aus. “Haben Sie auf andere Menschen geschossen?”. Am Tisch wird es still. Die Antwort kommt zögerlich und leise. “Das ist der Krieg. Du hast dann immer nur die Wahl: der andere oder ich.”

Organisiert werden die Treffen seit einigen Jahren von Horst Spiekermann und Elisabeth Pöcze. Eingeladen an die Schule hatte das Unterrichtsfach Kohlengräberland unter der Leitung von Ulrich Kind und Isa Tappenhölter. Beteiligt waren auch der Hauswirtschaftskurs von Dorothe Lahr und Gesellschaftslehrelehrer Volker Brockhoff.  (volbro)