Unterrichtsprojekt Kohlengräberland

27 Jahre Unterrichtsfach „Kohlengräberland“ an der Herner Erich-Fried-Gesamtschule

27 Jahre lang (1997 – 2024) wurde das Unterrichtsfach „Kohlengräberland“ an der Erich-Fried-Gesamtschule in Herne im Rahmen des Ergänzungsunterrichts (ehem. Wahlpflicht-Bereich II) der Jahgangsstufe 8-10 und auch in mehreren Projektkursen der Sekundarstufe II unterrichtet. Dieses landes- und bundesweit einzigartige Unterrichtsfach wurde von dem Lehrer Ulrich Kind unter dem Titel „Ruhrgebiet vor Ort“  (1997 bis 2002) ins Leben gerufen und seitdem von über 1000 Schüler*innen in 26 Kursen für jeweils 2 bis 3 Schuljahre als mehrjähriges Neigungsfach gewählt. In den Jahren 2002 bis 2023 stand ihm seine Kollegin Isa Tappenhölter beim Team-Teaching zur Seite. Gemeinsam haben sich Projektleiter und Schüler*innen auf unbekannte Pfade begeben und dabei viel Unerwartetes und Unvergessliches gelernt.

1998-02-22 Sonntagsnachrichten Herne zum Unterrichtsfach Kohlengräberland

 

Inhalte des Kohlengräberland-Unterrichts

Die thematische Konzeption des demokratie- und theaterpädagogisch ausgerichteten Unterrichtsfaches Kohlengräberland, orientierte sich an regionalgeschichtlichen und -politischen Themen sowie der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Heimat zwischen Ruhr und Emscher und deren Folgen für die Menschen „vor Ort“. Viele soziale, politische und kulturelle Phänomene und gesellschaftliche Errungenschaften wie z.B. Sozialgesetzgebung, Gewerkschaften oder Parteiengründungen haben ihren Ur­sprung in dieser Region. Auch die Arbeits- und Arbeiterkultur, der Strukturwandel in der Industrielandschaft Ruhrgebiet und seine Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebens­welt der Menschen sind exemplarisch, im wahrsten Sinne des Wortes zum Teil sogar „vorbildlich“.

Gemeinsam begaben sich Projektleiter und Kohlengräberland-Schüler*innen auf unbekannte Pfade  und haben bei ihren gemeinsamen Entdeckungsreisen – letztendlich auch zu ihrer eigenen Herkunft und Familiengeschichte – viel Unerwartetes und Unvergessliches gelernt und erreicht. Das verbindet alle Teilnehmer auch über die Schulzeit hinaus mit­einander und das macht die Unterrichtsinhalte einzigartig authentisch. Die Schüler*innen identifizieren sich mit ihrer und der Geschichte der Vorfahren, der Lebens­geschichte ihrer Mitschüler, aber auch derer, die ihnen bislang fremd waren.

Neben der Bergbau- und Arbeitergeschichte des Ruhrgebiets widmeten sich die „Kohlengräber“ auch der Erinnerungs- und Gedenkarbeit und zahlreichen Zeitzeugen-Gesprächen. Das konkrete bürgerschaftliche Engagement für die Verlegung von „Stolpersteinen“ für die Opfer der Shoah, die Erhaltung von historischen Gebäuden, Kriegsgräbern und die Errichtung eines Gedenkortes auf dem Gelände eines ehemaligen Zwangsarbeiter*innen-Lagers in Bochum-Gerthe waren erfolgreich. Gemeinsam erfuhren die „Kohlengräber“ bei ihrer Arbeit, dass auch Jugendliche durch bürgerschaftliches Engagement „vor Ort“ viel bewirken können. Allein in den letzten 15 Jahren wurde das bundesweit einmalige Unterrichtsprojekt dafür mit 13 Bundes- und 6 Landesauszeichnungen preisgekrönt.

Das Nachfolgeprojekt „Spurensuche“ beabsichtigt, auch zukünftig die Gedenkarbeit der „Kohlengräber“ an der EFG fortzuführen. „Ich wünsche meinen Nachfolgerinnen Anna Ertugrul und Lena Baltes und den zukünftigen Schüler*innen viel Neugier, Erfolg und jede Menge Kraft und Durchhaltevermögen. Ich bedanke mich bei allen Wegbegleitern und Unterstützern, Zeitzeugen, Förderern und Freunden, die unsere zahllosen Erinnerungs-, Theater-, Musik- und Kultur-Projekte erst ermöglichten. Neben meinen Mitstreitern Volker Brockhoff und Isa Tappenhölter möchte ich hier ausdrücklich Norbert Arndt und die Herner DGB-Geschichtswerkstatt sowie das Herner Stadtarchiv erwähnen, mit denen wir „Kohlengräber“ über viele Jahre erfolgreich und produktiv kooperierten und beeindruckende Gedenkveranstaltungen und -projekte, beispielsweise alljährlich zum 9. November, realisierten“, so Ulrich Kind.

Die Arbeit der „Kohlengräber“ wird auch nach der Pensionierung des Lehrers Ulrich Kind fortgeführt. Bereits 2018 wurde die „Kohlengräberland-Geschichtswerkstatt unterm Förderturm der Zeche Lothringen“ gegründet und diese Homepage ins Leben gerufen. Viele langjährige Projekte werden fortgeführt, neue Projekte warten auf ihre Realisation.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, die Recherche- und Erinnerungsarbeit der „Kohlengräber“ auch zukünftig zu verfolgen und tatkräftig zu unterstützen.