Vom Bergmannsunterstützungsverein zum Kameradschaftsverein
Im Mai des Jahres 1891 wurde im Einzugsbereich der Zeche Lothringen von einem Komitee mit Carl Schwitzer an der Spitze der „Bergmanns-Unterstützungsverein Glück auf – zu Gerthe“ gegründet.
Ein Bergmann, der Mitglied werden wollte, musste nicht nur im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sein, sondern auch sonst einen guten Leumund haben und in geordneten familiären Verhältnissen leben.
Jedes Mitglied musste bei der Aufnahme ein Eintrittsgeld von 2 Mark und danach einen Monatsbeitrag von 50 Pfennig zahlen. Damit wurde – nach einer Mitgliederzeit von wenigstens vier Monaten – ein Anspruch auf eine Krankenunterstützung von 50 Pfennig für jeden ausgefallenen Arbeitstag erworben und zwar bis zur Dauer von 13 Wochen.
In Sterbefällen wurden für jedes Mitglied 15 Mark und für die Frau eines Mitgliedes 12 Mark als Beihilfe zu den Bestattungskosten ausgezahlt. Mögen uns diese Auszahlungsbeträge heute gering vorkommen, so waren sie in der Zeit um 1900 für die Betroffenen eine wesentliche Zuwendung in der Not.
Durch die Gleichschaltung aller Vereine unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 war auch die Existenz des Gerther Knappenvereins, der seit seiner Gründung politisch völlig ungebunden war, bedroht. Der Fortbestand seiner bergmännischen Unterstützungskasse wurde dem Knappenverein von den Nazis im Jahr 1938 verboten. In der Vorstandssitzung wurde daraufhin beschlossen, den Verein fortan nur noch als Kameradschaftsverein weiterzuführen.
Während des Zweiten Weltkrieges ruhte die Vereinstätigkeit weitgehend, die Bergleute beteiligten sich nach der Schicht an dem Bau von Luftschutzstollen und Splittergräben für die Bevölkerung im Bochumer Norden und sie halfen bei der Bergung von verschütteten Opfern nach den Luftangriffen.
Erst im November 1948 trafen sich die Ehefrauen der Vereinsmitglieder erstmalig wieder zu einem gemütlichen Beisammensein und Weihnachten 1949 gab es wieder die erste Bescherung für die Kinder nach dem Krieg und auch erste gemeinsame Ausflüge wurden wieder unternommen.
Durch das sich verändernde Freizeitverhalten in den 1960er bis 1970er Jahren und die Stillegung der Zeche Lothringen 1967 wurde es zunächst ruhig um den Verein und nur wenige der damals 43 Mitglieder nahmen noch an den Versammlungen in der Gaststätte Cöppencastrop teil. Regelmäßig gedachte man mit einer Ehrenabordnung jedoch weiterhin der Opfer des Schlagwetterunglücks vom 8. August 1912 am Denkmal auf dem Gerther Friedhof, begleitete verstorbene Knappen „bei ihrer letzten Seilfahrt“ und unternahm sporadisch gemeinsame Aktivitäten im kleinen Kreis.
Anfang der 1980er Jahre bemühte sich der neue Vereinsvorstand dann verstärkt um die Wiederbelebung der Vereinskultur. Durch die Kooperation mit Knappen-Vereinen in der Umgebung, dem Beitritt zum Landesverband der Berg- und Knappenvereine NRW und eine aktive Mitgliederwerbung rückte der BKV zunehmend wieder in das Bewusstsein der Bevölkerung.
Mitte der 1980er Jahre initiierte der Knappenverein in der Gerther Christuskirche alljährlich einen Bergmanns-Gottesdienst mit anschließender Barbara-Feier im Gemeindehaus Bethanien (Seit 2018 im Gemeindehaus Hiltrop)
Die Feierlichkeiten zum 100. Vereinsjubiläum am 11. Mai 1991 waren ein großer Erfolg und wurden von der Bevölkerung des Bochumer Nordens gut besucht. Seit Mitte der 1990er Jahre fanden die Mitgliederversammlungen des BKV bis zum Abriss dieses historischen Gebäudes im Jahr 2018 im Evang. Gemeindehaus Bethanien an der Lothringer Straße statt. Zuvor hatte man die Versammlungen seit 1920 ununterbrochen in der Gaststätte Cöppencastrop abgehalten.
Im Jahr 2010 beteiligte sich der BKV an der mehrtägigen „Schachtzeichen-Aktion“ im Rahmen des Veranstaltungsprogramms RUHR 2010 zur Kulturhauptstadt.
Im Jahr 2012 wurde vom BKV ein kleines Vereinsmuseum im Keller der Hiltroper Frauenlobschule mit Exponaten aus der Vereinsgeschichte und Werkzeugen aus der Arbeitswelt des Bergmanns eingerichtet. Im Jahr 2016 feierte der BKV sein 125. Gründungsjubiläum.
Seit dem Jahr 2016 gibt es eine enge Kooperation des BKV Glückauf Gerthe 1891 e.V. mit dem Kohlengräberland-Schulprojekt sowie mit der „Geschichtswerkstatt unterm Förderturm der Zeche Lothringen”. Viele gemeinsame Aktionen und Projekte konnten bisher erfolgreich abgeschlossen werden. Weitere Informationen finden Sie unter folgendem Link: https://www.kohlengraeberland.de/kooperation-mit-dem-bkv-glueckauf-gerthe-1891-e-v/
Der Bergmanns-Kameradschaftsverein Glückauf Gerthe 1891 e.V. zählt heute, im Jahr 2020, 140 Mitglieder. Der Verein fühlt sich der Tradition des bergmännischen Lebens verpflichtet. Die Teilnahme an Bergbautreffen, die Bildungsarbeit in Kooperation mit Schulen, Mitgestaltung von Stadtteilveranstaltungen und Gottesdiensten sind – ebenso wie das gemeinsame Miteinander bei Versammlungen, Festen, Feiern und gemeinsamen Ausflügen – feste Bestandteile des aktiven Vereinslebens.
Als Menschen des Ruhrgebiets haben wir unsere Wurzeln im Bergbau. Dazu kann und sollte man selbstbewusst stehen. Die Vereinstätigkeiten des BKV werden auch zukünftig – losgelöst von verklärter Bergbauromantik – auf die Pflege traditioneller Werte der Bergleute und die Vermittlung von bergmännischen und bergbautechnischen Kenntnissen in der Öffentlichkeit ausgerichtet sein. Auch dem bürgerschaftlichen und lokalhistorischen Engagement im Bochumer Norden sieht sich der Verein weiterhin verpflichtet.
Unter diesem Link gelangen Sie zur Homepage des BKV Glückauf Gerthe 1891 e.V.
Unter diesem Link (BKV Chronik 1956) finden Sie einen vollständigen Abdruck der Festschrift des BKV zum 65. Gründungsjubiläum im Jahr 1956 mit einer sehr ausführlichen Vereinschronik sowie einer eindrucksvollen Beschreibung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse eines Lothringen-Bergmannes, aufgezeigt am Beispiel des Vereinsgründers Carl Schwitzer, der beim Schlagwetter-Unglück am 8. August 1912 ums Leben kam.
( Kohlengräberland / BKV, Stand: 2020-07-22/08:17)