
Unmittelbar nach der Machtübertragung auf die Nationalsozialisten und die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 31. Januar 1933 kam es im gesamten Reichsgebiet zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Straßenkämpfen zwischen Antifaschisten und der SA (Sturmabteilung der NSDAP). So auch in Bochum-Hiltrop und -Gerthe.
In der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1933 wurde auf der Dietrich-Benking-Straße der SA-Scharführer Paul Paßmann aus Hiltrop erschossen. Für die Nazis stand sofort außer Frage, dass es sich bei den Mördern selbstverständlich um Kommunisten gehandelt haben müsse und so wurden unmittelbar nach der Tat 31 KPD-Mitglieder aus Gerthe und Hiltrop von der Polizei verhaftet und verhört. Von der Polizei konnte trotz intensiver, jahrelanger Ermittlungen – keinem der Beschuldigten jemals eine Beteiligung an dem Verbrechen nachgewiesen werden. In Flugblättern der KPD wurde die Tat als „Femenmord“ bezeichnet, es hieß, Paßmann sei von den eigenen SA-Kameraden ermordet worden.
Mitglieder des SA-Sturms 14/17 aus Bochum-Gerthe und -Hiltrop (Foto © Privatarchiv U. Kind)
In der Folge des Ereignisses wurde der SA-Sturm 14/17 aus Gerthe und Hiltrop tätig und übte seit Februar 1933 blutige Selbstjustiz an vermeintlich Verdächtigen. Zunächst hatte die Hiltroper Gastwirtschaft „Lucas“ als SA-Sturmlokal und für „Verhöre“ gedient.

Ab Anfang März 1933 zog der SA-Sturm in die Hegelschule (ehem. Kantstraße, heute Hegelstraße) um. Die fortschrittliche „Freie und Weltliche Hegelschule“ war auch Heimstätte der „Sozialistischen Arbeiterjugend“ sowie der „Roten Falken“ und wurde von den Nationalsozialisten sofort nach der Machtübernahme geschlossen.



Zahllose Systemgegner (KPD, SPD u. a.) wurden von den ebenso aus Gerthe und Hiltrop stammenden SA-Leuten aus ihren Wohnungen gezerrt, in die Kellerräume der Hegelschule verschleppt, dort eingesperrt, auf das Grausamste erniedrigt, misshandelt und brutal gefoltert. Viele Opfer des Gerther SA-Terrors litten lebenslänglich an den Folgen der Misshandlungen bei den „Verhören“ oder verstarben an den Spätfolgen der Folter.
Sechs der Todesopfer des SA-Terrors in Bochum-Gerthe und -Hiltrop konnten bisher ermittelt werden: Heinrich Fischer, Richard Karl Goletz, Mendel Selig Haber, Robert Löffler, Albert Ortheiler und Johann Sigl.
Die bisherigen Recherchen der Kohlengräberland-Geschichtswerkstatt und die Auswertung der Gerichtsakten aus den Jahren 1933/1934, dem Hauptprozess im Jahr 1947 sowie den Ermittlungsakten zu Paul Wandt in den Jahren 1953 – 1958 ergaben, dass nachweislich ca. 40 Menschen dem brutalen NS-Terror in der Hegelschule zum Opfer fielen. Mindestens 42 SA-Männer aus Gerthe und Hiltrop waren an den menschenverachtenden, grausamen Taten direkt oder indirekt beteiligt.
Nur drei der Haupttäter wurden wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit und „schwerer Körperverletzung mit Todesfolge“ zu Freiheitsstrafen von 7 – 9 Jahren Gefängnis verurteilt, nur 6 weitere Täter erhielten Freiheitsstrafen von 2 bis 18 Monaten. Einige der Angeklagten konnten nicht verurteilt werden, da sie sich während des Gerichtsprozesses im Jahr 1947 auf der Flucht oder noch im Internierungslager befanden oder, wie im Falle des SA-Mannes Paul Wandt, im Kriege als gefallen galten.
Die Gesamtzahl der Opfer des „Gerther SA-Blutkellers“ kann nicht ermittelt werden, da sich unsere Angaben nur auf die Aussagen der Täter und Zeugen im aus den vorliegenden Ermittlungsakten aus den Jahren 1933/1934 sowie aus den Akten zum Hauptprozess aus dem Jahr 1947/1948 stützen. Es ist denkbar, dass einige Opfer auch nach dem Krieg – evtl. aus Furcht vor möglichen Repressalien – niemals Anzeige erstatteten.
Weitere Informationen zum „Gerther SA-Blutkeller“ finden Sie unter den nachfolgenden Links :
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Weltliche Schule Hegelschule (ehem. Kantstraße) vor der Übernahme durch die Nationalsozialisten im März 1933 |
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Benutzer- u. Inhaltshinweis Manche Themen und sensible Inhalte, wie Gewaltdarstellungen, können bei Menschen negative Gefühle auslösen, verstörend und/oder verletzend wirken oder sogar ein Trauma auslösen. Die Originaltexte der Zeugenaussagen zu den „Blutkeller-Prozessen“ enthalten detaillierte Beschreibungen der menschenverachtenden verbalen, psychischen und physischen Gewaltanwendung der NS-Täter gegenüber den Opfern. |
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| Albert Ortheiler
– Ein Opfer des Gerther NS-Terrors – |
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| Johann Sigl |
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| Paul Wandt |






